Man jongliert in der Natur

DPA/AFP/FRANK RUMPENHORST

Naturbelassen

Parkgestaltung Wien - Berlin

Es gab und gibt viele Arten von Gärten und Parkanlagen: streng geometrische Gärten der Renaissancezeit, später dramatisch opulente Barockgärten und dann die Englischen Gärten, die die Natur wieder in ein enges Korsett zwängten. Das allerneuste Schlagwort heißt Wildnis. Vorbildfunktion für diesen Trend hat etwa der Park am Gleisdreieck in Berlin - die 26 Hektar große Fläche eines aufgelassenen Bahnhofs mitten in der Stadt.

Wo vor hundert Jahren ein Bahnknotenpunkt mit industriell geprägtem Umfeld war, hat sich eine unzugängliche Brachfläche in einen Lieblingsort für die Berliner und Berlinerinnen aller Generationen entwickelt. Außerdem wurde der Park am Gleisdreieck mit dem Architekturpreis Berlin 2013, dem Sonderpreis Deutscher Städtebau 2014 und dem Deutschen Landschaftsarchitektur-Preis 2015 ausgezeichnet.

Ebenfalls Vorbildunktion hat das Tempelhofer Feld in Berlin - eine 300 Hektar große Grünflache, die 2010 für die Berliner geöffnet wurde. Wo früher Flugzeuge von West-Berlin in alle Welt starteten, ist jetzt eine beliebte Erholungsfläche entstanden.

Wird sich Wien diesem Trend anschließen und dieses Parkkonzept etwa auf dem Wiener Nordbahnhof umsetzen? Dort ist ein insgesamt 65 Hektar großes Areal im Entstehen: Umringt von Wohnbauten soll eine Grünfläche von zehn Hektar freigelassen werden. Das ist nach dem Donaupark und dem Kurpark Oberlaa die größte Freifläche in Wien, die in den letzten 100 Jahren entstanden ist. Denn die Donauinsel gilt ja eigentlich als Hochwasserschutzprojekt.

Kulturjournal | 24 01 2018

Sabine Oppolzer

Leporello | 24 01 2018 | Archiv der Landschaft

Hanna Ronzheimer

Berliner "Wiesenmeer" auf 300 Hektar

Am Tempelhofer Feld scheinen Himmel, Weite und Freiheit auf 300 Hektar grenzenlos zu sein: Es ist eine der größten innerstädtischen Freiflächen der Welt. Über 2 Millionen Besucher kommen jedes Jahr hierher, um die Weitläufigkeit des ehemaligen Flugfeldes zu genießen, das so groß ist wie 450 Fußballplätze. Dieser Park ist so groß, dass man eventuell Tiere für die Aufgabe des Rasenmähens wird - an Schafe und Rinder denkt Parkmanager Michael Krebs. Außerdem sei es sehr kostengünstig ist.

Tempelhofer Feld - Alter Hafen

Tempelhofer Feld - Alter Hafen

Lichtschwärmer

Tiere statt Rasenmäher senken Kosten

Diese Naturbelassenheit entspricht auch den Bedürfnissen der Bevölkerung, die sich 2014 per Volksentscheid dafür ausgesprochen hat, dass keine Bauwerke am Tempelhofer Feld errichtet werden dürfen. Was auch dem Tierschutz sehr entgegen kommt. Denn besonders stolz ist man auf die wieder wachsende Feldlerchenpopulation.

Bereits während der Zeit der Nutzung als Flughafen hatte die Natur sich das Tempelhofer Feld erobert, denn viele Tierarten - wie die geschützte Feldlerche - stört es gar nicht, ob um sie herum Flugzeuge starten und landen. Jetzt gibt es über 200 Brutpaare, für die man zusammen mit oberster Naturschutzbehörde ein Pflegekonzept entwickelt hat.

Konzept der Weite auch am Nordbahnhof?

Auch wenn man in Wien kein ganzes Flughafenareal zur Verfügung hat: Man wird versuchen, am Nordbahnhof ein ähnliches Feeling zu erzeugen. Die angrenzende Bevölkerung hat die Stadtbrache schon im Rahmen einer Zwischennutzung in Besitz genommen.

So haben hier etwa Jugendliche eine Skaterbahn errichtet. Leider nicht für lange: Im September 2017 räumten Bagger die beliebte Skaterbahn weg. Der Grund: Haftungs- und Erhaltungsfragen waren nicht geklärt, erzählt Peter Rippl von der IG "Lebenswerter Nordbahnhof".

Der älteste Bahnhof Österreichs

Bis in die 1970er Jahre waren Teile des Nordbahnhofes in Verwendung, dann wurde dort ein Logistikzentrum der ÖBB eingerichtet. Seit 2011 verwildert das Areal und wurde zu einem einzigartigen Ort, auf dem ein denkmalgeschützter alter Wasserturm steht. Es gibt alte Ziegelwände und einen historischen Doppeltunnel auf diesem ältesten Bahnhof in Österreich.

Viele von diesen halb überwucherten Relikten sollen erhalten bleiben, sagt der Direktor des Stadtgartenamtes Rainer Weisgram. Er hat bereits einen Masterplan in Auftrag gegeben, und sobald das Grundkonzept vorliegt, will er einen Bürgerbeteiligungsprozess einleiten, um auch dort die Ideen abzuholen.

Berliner Parkkonzepte als Vorbild

Nach seinen Vorbildern in Sachen Parkgestaltung gefragt, nennt Rainer Weisgram, den "Park am Gleisdreieck" in Berlin. Seit seinem Amtsantritt 2005 arbeitet er an neuen Parkleitbildern. Darin sind Parkgestaltungen, die allein auf Optik und saisonal definierte Schmuckbeete Wert legen, passé. Weisgram hat in den letzten Jahren unter anderem Gemeinschaftsgärten und die Behübschung von Baumscheiben durch Bürger und Bürgerinnen zu gelassen.

Garteln ist das beste Integrationsprogramm, da Menschen unterschiedlichen Alters und verschiedener sozialer Schichten zusammenfinden.

Diese Art von Bürgerbeteiligung berge auch ihre Schwierigkeiten, sagt Lilli Licka vom Institut für Landschaftsgestaltung an der Boku, etwa wenn die Begeisterung nachlässt und das Stadtgartenamt wieder die Pflege übernehmen muss.

Regulierungswut in öffentlichen Parks

Die wirklich großen Probleme in der Parkgestaltung stellen aber die Sicherheitsnormen dar - obwohl es Untersuchungen gibt, dass die sichersten Spielgeräte Unfälle nicht verhindern können. Im Gegenteil: Je sicherer die Spielgeräte, desto eher werden Kinder davon abgehalten, Gefahren selbst einzuschätzen und damit umzugehen. Lilli Licka meint: Tatsächlich seien Verletzungen auf Spielplätzen drastisch angestiegen, obwohl die Sicherheitsvorschriften enorm seien.

Generell herrscht im städtischen Bereich Regulierungswut, und so etwas wie Natur wird von den meisten als Belästigung empfunden. So gebe es für Landschaftsplaner große Einschränkungen in der Bepflanzung, da befürchtet wird, dass Obst Bienen anzieht, die Vorbeigehende stechen könnten, oder, dass sich Menschen beim Versuch zu ernten, verletzen könnten. Aus diesen Gründen gibt keine Obstbäume mehr in der Stadt.

Sichere Hochseil-Klettergärten

Trotzdem geht es auch anders: In den 1970er Jahren entstanden schon Robinsonspielplätze in Wien. Heute gibt es auch Hochseil-Klettergärten - gut gesichert von der Stadt Wien -, in denen Kinder und Jugendliche ihre körperliche Fitness testen können.

In den neuesten Konzepten der Leere sind aber weder Klettergärten noch andere Parkmöbel vorgesehen. Parks sollen nicht mit Spielgeräten vollgeräumt werden, heißt es. Statt separate Ecken für Kinder, für Jugendliche, für alte Menschen oder für Hunde zu schaffen, sollte alles in einem sein, ohne Verbote. Wie die Parkbesucher miteinander umgehen, sollen sie sich selbst ausmachen - ähnlich wie bei den Begegnungszonen im Straßenverkehr.

Kostensparende Parkwildnis auch für Wien?

Spannend wird es zu sehen, wie die neuen Konzepte der Weite und Leere auch in Wien umgesetzt werden können. Förderlich für die Umsetzung wird es sicher sein, dass diese Ideen der grünen Wildnis einfach viel kostensparender sind, als Blumenbeete, die in jeder Saison zweimal umgestaltet werden. Wie lange wird es noch dauern, bis Schafe und Kühe in Wiener Parks als Rasenmäher eingesetzt werden?

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