Tauende Seen verstärken Klimawandel

Auftauende Böden beschleunigen in der Arktis die Klimaerwärmung. Neue Studien zeigen, dass das noch schneller geschehen könnte als bisher gedacht: Denn auch die Seen frieren nicht mehr komplett – wodurch auch im Winter Treibhausgase freigesetzt werden.

Bis zu 1.000 Milliarden Tonnen Kohlenstoff schlummern alleine in den gefrorenen Böden der Nordhalbkugel, vom gespeicherten Methan gar nicht zu sprechen. Modellrechnungen gehen davon aus, dass bis 2080 ein Drittel der Permafrostböden aufgetaut sein könnte.

Neueste Studien zeigen allerdings: Diese Prozesse könnten noch viel schneller vonstattengehen, mit deutlichen Auswirkungen auf den Klimawandel. Die durchschnittliche Eisdicke der arktischen Seen ist in den letzten 40 Jahren um bis zu einem Drittel geschrumpft.

Hunderte Millionen Seen in Alaska, Kanada und Sibirien

Alfred-Wegener-Institut, Josefine Lenz

Hunderte Millionen Seen gibt es in Alaska, Kanada und Sibirien

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 10. 7., 12.00 Uhr.

Ein verhängnisvoller Kreislauf: Die Seen, die nicht durchfrieren, beeinflussen natürlich auch den Permafrostboden darunter. Das hat man in bisherigen Klimamodellen nicht berücksichtigt, sagt Herbert Formayer, Meteorologe an der BOKU Wien:

„Das beschleunigt natürlich das Auftauen des Permafrosts markant, weil durch das flüssige Wasser am Grund der Seen die Temperaturen den ganzen Winter hindurch nicht unter null Grad sinken. Dadurch wird das Auftauen wesentlich beschleunigt. Der Permafrostrückgang in der Arktis hat eine globale Dimension, dann dadurch kann zusätzliches Treibhausgas in die Atmosphäre gelangen, was die Erwärmung massiv beschleunigt und markant erhöht.“

Permafrost-Monitoring via Satellit

Ein österreichisch-russisches Forschungsteam hat vor Kurzem zwei Millionen arktische Seen untersucht (Studien dazu hier und hier) - und zwar per Satellit vom All aus.

Annett Bartsch von der Zentralanstalt für Meteorologie in Wien hat ein Verfahren entwickelt, das es ermöglicht, die Gefrierdicke des Eises vom All aus festzustellen. „Wir verwenden dafür Radarsysteme, Strahlung, die vom Satelliten ausgesandt wird. Diese Strahlung interagiert mit dem Eis auf den Seen. Die sogenannte Rückstreuung hat eine andere Intensität über den Bereichen, wo das Eis bis zum Boden durchfriert, als in den Bereichen, wo es Wasser unter dem Eis gibt.“

Der Schein trügt: Trotz Eisdecke werden die Seen wärmer

Alfred-Wegener-Institut, Torsten Sachs

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Vorrangiges Ziel des Projektes ist, diese Seen nun einer Langzeitbeobachtung zu unterziehen. Denn nur jahrelanges Monitoring lasse wirklich Rückschlüsse zu.

Die Entwicklungen geben Anlass zur Sorge, denn die Erwärmungseffekte durch die Tauenden Seen hat man erst in rund 70 Jahren erwartet. Das Phänomen droht die Bemühungen des Menschen, den anthropogenen Einfluss zu reduzieren, zunichte zu machen, meint Herbert Formayer:

„Selbst wenn es uns gelingt, die Treibhausgase so zu reduzieren, wie wir es uns in Paris vorgenommen haben, würde es dann nicht ausreichen, den Klimawandel langfristig zu stoppen, weil durch diese natürlichen Prozesse zusätzlich Kohlenstoff freigesetzt wird.“

CO2: Kleiner Anstieg – große Wirkung

Dass schon graduelle Veränderungen der CO2-Konzentration in der Atmosphäre abrupte Klimaschwankungen auslösen können, zeigt eine aktuelle Studie des Alfred-Wegener-Instituts gemeinsam mit der Universität Cardiff.

So hat während der letzten Eiszeit der Einfluss von atmosphärischem CO2 auf den Nordatlantikstrom innerhalb weniger Jahrzehnte in Grönland einen Anstieg der Temperatur um bis zu zehn Grad Celsius verursacht. Diese abrupten Übergänge wurden in grönländischen Eiskernen beobachtet. Erstmals konnte nun nachgewiesen werden, dass es in der jüngeren Erdgeschichte Situationen gab, in denen graduell steigende CO2-Konzentrationen Ozeanzirkulations- und Klimaänderungen ausgelöst haben.

Josef Glanz, Ö1-Wissenschaft

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