Landschaftsarchitektur als Spiegel der Gesellschaft

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Symbolbild. (c) imago/BE&W (Dariusz Bednarek)
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Sammlung.In einem neu eröffneten Archiv an der Boku Wien zeigen Forscherinnen die vielen Facetten heimischer Gartenkunst. Ein Sukkus: In Österreich gibt es weit mehr als die berühmten Barockgärten.

Launige Zeichnungen des Landschaftsgärtners Albert Esch, der von 1883 bis 1854 gelebt hat, fallen einem im Archiv gleich ins Auge: Entwürfe für einen Garten für Faulenzer, einen Garten für Sportliebhaber oder einen Garten für den Blumenfreund. Der große Rest ruht, geschützt vor Umwelteinflüssen, in Schiebekästen, und wird auf Wunsch hervorgeholt. Das Institut für Landschaftsarchitektur der Boku Wien hat am Mittwochabend das „LArchiv“ eröffnet. In diesem werden Daten und Dokumente zur Geschichte der österreichischen Landschaftsarchitektur des 20. und 21. Jahrhunderts gesammelt, bewahrt und erforscht.

„Unsere Sammlung setzt sich aus Nachlässen österreichischer Landschaftsarchitekten wie Albert Esch, Hans Grubbauer, Gertrude Kraus oder Josef Oskar Wladar zusammen“, erläutert die Institutsleiterin, Lilli Lička. Wobei Landschaftsarchitektur nicht nur die Gestaltung von Gärten oder Parks betrifft, sondern etwa auch die Planung von Autobahnraststätten, Parks in Fabrikanlagen, Freigelände in Kurhotels, Zugtrassen oder die Gestaltung des öffentlichen Stadtraums umfasst.

Frauen bauten Betriebe auf

„Gärten sind immer ein Spiegel der Gesellschaft. Ihre Gestaltung drückt das jeweilige Verhältnis zur Natur aus“, sagt Lička. In der Landschaftsarchitektur in Österreich seien allerdings primär die Barockgärten präsent: „Wir wollen zeigen, dass es eine kontinuierliche historische Entwicklung gegeben hat und wie sich Konzepte und Stile mit den gesellschaftlichen und künstlerischen Strömungen der Zeiten geändert haben.“

Vor allem am Anfang des 20. Jahrhunderts war das ein Gebiet, das auch Frauen offenstand. Eine berühmte Gartenbauschule mit exzellenter Ausbildung gab es damals in Eisgrub (im heutigen tschechischen Lednice). Sie wurde auch von vielen Frauen besucht, denen es zum Teil sogar gelang, eigene Betriebe aufzubauen. „Die meisten Frauen, die die Schule besuchten, waren Jüdinnen, denen es zum Glück gelang, 1938 zu emigrieren“, weiß Ulrike Krippner, Senior Scientist am Institut.

Heute ruht die Landschaftsarchitektur auf mehreren Säulen. Es geht nicht nur um die Gestaltung, sondern auch um Ingenieurtechnik, Naturwissenschaften und nicht zuletzt um Ökologie und Nachhaltigkeit. „Wir sehen unsere Aufgabe als Institut nicht nur in der Lehre und Forschung, sondern auch in der Vermittlung nach außen“, sagt Lička. Entsprechend ist das „LArchiv“ nicht nur als Gedächtnisstütze für Forscher und Studenten gedacht, es soll auch Kommunen und Institutionen offenstehen. Man wolle das Bewusstsein für eine nachhaltige und sensible Gestaltung von Freiräumen schärfen, heißt es. Immerhin ist es heute bereits üblich, dass man bei großen Bauprojekten nicht nur im Wohnbau Landschaftsgärtner bei der Planung hinzuzieht.

Die analoge Sammlung umfasst Pläne, Entwürfe und Zeichnungen bedeutender Landschaftsgärtner des 20. Jahrhunderts, die über Nachlässe an die Universität gingen. Die digitale Sammlung enthält aktuell mehr als 500 Biografien, rund 1400 Publikationen, über 1400 Werke und Projekte sowie Informationen über Ausbildungsstätten und Fachorganisationen. „Und wir hoffen natürlich, in Zukunft weitere Vor- oder Nachlässe zu bekommen, um das Archiv auch langfristig sichern zu können“, sagt Krippner, die maßgeblich an dessen Aufbau beteiligt war.

IN ZAHLEN

5000Exponate lagern derzeit im neuen Archiv für österreichische Landschaftsarchitektur, dem „LArchiv“, der Boku Wien.

500Biografien enthält die digitale Sammlung sowie rund 1400 Publikationen und ebenso viele weitere Werke und Informationen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2018)

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