Petra Biberhofer von der WU und Michael Ambros von der Boku bei einem Case-Workshop.

Foto: RCE Vienna

Aus der Sustainability Challenge ist zum Beispiel "Eastcider" entstanden.

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Wien – In Zeiten politischer und gesellschaftlicher Polarisierung erschien es Ende 2015 fast wie ein Wunder, dass sich 193 Staaten auf gemeinsame ökologische, soziale und ökonomische Ziele einigen konnten. Der Klimavertrag von Paris galt als Meilenstein. Doch bei der Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele, die bis 2030 erreicht werden sollen, hakt es. Auch Österreich hinkt hinterher.

Ein Schlüssel könnte in der Praxis liegen, um an den Ambitionen der Politik vorbeizuziehen. Ökologisches und soziales Wirtschaften beginnt bereits in der Ausbildung. Seit 2010 gibt die "Sustainability Challenge" die Richtung vor, wie Bildung für nachhaltige Entwicklung mit Praxisbezug aussehen könnte. Die Lehrveranstaltung wird von den vier größten Wiener Universitäten gemeinsam abgehalten.

Ökologie, Soziales, Technik, Politik und Wirtschaft

"Wir wollen die Kompetenzen für nachhaltiges Unternehmertum fördern", sagt Petra Biberhofer von dem Regional Centre of Expertise on Education for Sustainable Development an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Die Veranstaltung vereint Ökologie, Soziales, Technik, Politik und Wirtschaft in Theorie und mit Projekten. Dazu werden Start-ups gegründet und Kontakte mit Praxispartnern – privaten und öffentlichen Unternehmen, NGOs oder der Stadt Wien – geknüpft.

Im aktuellen Studienjahr nehmen 80 Studierende der WU, Technischen Universität (TU), Universität Wien und Universität für Bodenkultur (Boku) zwei Semester lang teil. Unterstützt werden sie von fünf Lehrenden, zwölf Praxispartnern und drei Start-up-Experten.

"Wir haben eine bunte Palette an Ideen, die schon realisiert wurde", sagt Michael Ambros vom Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Boku. Das umfasst etwa die Förderung von Photovoltaikanlagen für kleinere Unternehmen, die durch Finanzierungskampagnen bei Kunden realisiert werden.

Leihladen für Gegenstände und Kontakte

Ein anderes Beispiel an der Boku ist "Leila", der Leihladen in Wien. Hinter dem Verein steckt die Idee, dass Menschen Gegenstände einbringen können und gemeinsam nutzen. Zunächst stand der ökologische Gedanke, Ressourcen zu schonen, im Vordergrund. Bei der Umsetzung zeigte sich auch das soziale Potenzial, wie Ambros erzählt. Zum einen würden Menschen Zugang zu Werkzeug oder Sportgeräten bekommen, die sie sich nicht leisten können. Zum anderen kämen Studierende, ältere Menschen und Familien miteinander in Kontakt.

Ein drittes Projekt, das es in die Praxis geschafft hat, ist "Eastcider", der von Früchten auf Streuobstwiesen gewonnen wird. In Österreich gibt es rund 40.000 Hektar Streuobstwiesenfläche, auf der jährlich etwa 200.000 Tonnen Äpfel ungenutzt liegen bleiben.

Zeit für Reflexion

Der interdisziplinäre Ansatz der Sustainability Challenge hilft bei der Umsetzung, so Ambros: "An der Boku gibt es oft viele nachhaltige Ideen, aber die wirtschaftliche Kompetenz fehlt vielleicht. An der WU ist es teilweise umgekehrt." Der Aufwand ist für Studierende zwar relativ hoch, dafür ergeben sich Netzwerke mit Praxispartnern und NGOs und konkrete Vorstellungen, sagt Ambros: "Rund 20 bis 30 Prozent aller Ideen werden innerhalb von drei Jahren umgesetzt."

Neben den Projekten gibt es Theorieblöcke, Vorträge und Diskussionen. Zudem gehe es auch darum sich die Zeit zu nehmen herauszufinden, ob man überhaupt eine Unternehmerpersönlichkeit hat, so Ambros. "Gerade in Zeiten von Bologna versuchen viele Studierende, so schnell wie möglich durch das Studium zu kommen, da ist es umso wichtiger Reflexion zu fördern", so Biberhofer. (Julia Schilly, 9.11.2017)