„Ein Schatz, den wir bewahren müssen“

Blühendes Rapsfeld
Blühendes Rapsfeldimago/Christian Ohde
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Was wächst und tummelt sich in und um Raps- und Maisfelder? Kathrin Pascher von der Boku Wien untersucht mit ihrem Team die Landschaftsstrukturen sowie Pflanzen, Tagfalter, Heuschrecken und Wildbienen.

„Biodiversität ist die Vielfalt von Pflanzen- und Tierarten, die in einem Lebensraum vorkommen, aber auch die Diversität von Lebensräumen selbst sowie die genetische Vielfalt innerhalb einer Art“, sagt Kathrin Pascher vom Institut für Zoologie der Boku Wien. Die Biologin forscht seit mehr als 20 Jahren im Themenbereich Vegetationsökologie. Und jene Artenvielfalt, betont sie, gebe es nicht nur in unberührten Regionen und Schutzgebieten, sondern auch in den landwirtschaftlich genutzten Gebieten. Gerade Raine, Trockenrasen, Hecken und Feldgehölze im Umfeld von Feldern bieten oft wertvolle Lebensräume für Flora und Fauna: „Sie sind ein Schatz, den wir bewahren müssen.“

Zerstörte Lebensräume, Umweltverschmutzung, aber auch die Einführung von Neophyten – jene Pflanzen, die seit 1492 durch den globalen Handel in andere Erdteile, wo sie nicht heimisch sind, gelangt sind – sowie den Klimawandel nennt sie als Hauptursachen für den weltweiten Biodiversitätsverlust. Dabei ist die Tier- und Pflanzenwelt eng miteinander verbunden. „Wenn zum Beispiel der Wiesenknopf in einem Gebiet verschwindet, fehlt den Raupen des Ameisenbläulings, einem nur mehr selten vorkommenden Schmetterling, die Futterpflanze, von der er sich ausschließlich in frühen Entwicklungsstadien ernährt“, erklärt Pascher.

Die Wissenschaftlerin arbeitet seit Jahresanfang mit über 20 Experten am Projekt BINATS 2 (Biodiversity – Nature – Safety). Das Kürzel steht für den zweiten Erhebungsdurchgang der Biodiversität in den österreichischen Ackerbaugebieten. Landwirtschafts- und Gesundheitsministerium haben das Projekt in Auftrag gegeben.

Testflächen nochmal ansehen

Spezialisiert ist das Monitoringprogramm auf die Artenvielfalt im Anbaugebiet von Mais und Raps. Dort untersucht das Forscherteam Gefäßpflanzen, Tagfalter, Heuschrecken sowie Landschaftsstrukturen auf denselben 100 zufällig ausgewählten, je 625 mal 625 Meter großen Testflächen wie vor zehn Jahren im Rahmen des Projekts BINATS 1.

Die aktuelle Untersuchung inkludiert auch die Wildbienen – bearbeitet vom Institut für Integrative Naturschutzforschung – als zusätzlichen Indikator. Schließlich kommen in Österreich rund 700 verschiedene Wildbienenarten vor. „Sie finden weniger Futterquellen und Nisthabitate“, sagt Pascher. „Aufgrund vieler offener Fragen rund um ihre Gesundheit hat die Wildbiene aktuell in der Wissenschaft, aber auch in der breiten Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen.“ Die Forscherin fordert Strategien, um einerseits dem Aussterben von Arten entgegenzuwirken und andererseits deren Häufigkeit zu fördern.

Sie ist schon gespannt, wie stark sich die österreichische Agrarlandschaft in den vergangenen Jahren verändert hat und welche Trends die Vergleichsdaten sichtbar machen. Zudem beschäftigt sie sich mit den ökologischen Auswirkungen von gentechnisch veränderten Kulturpflanzen.

Sie hinterfragt: Welche ökologischen Auswirkungen könnten gentechnisch veränderte Kulturpflanzen auf die Biodiversität haben? Angestiegen ist weltweit zuletzt der Anteil an gentechnisch verändertem Mais. Er ist übrigens auch die einzige gentechnisch veränderte Pflanze, die in der EU aktuell angebaut wird, neben Tschechien, der Slowakei und Portugal großteils in Spanien.

In Österreich wurden bis dato keine gentechnisch veränderten Pflanzen freigesetzt. (juf)

IN ZAHLEN

1000 Probepunkte mit je 20 Metern Radius unter-suchten die Forscher auf 100 Testflächen.

41 Tagfalterarten fanden sie dort (davon neun gefährdet), 56 Heuschreckenarten (davon 29 gefährdet) sowie 900 Gefäßpflanzenarten (davon 100 gefährdet). Insgesamt wachsen in Österreich 3500 Gefäßpflanzenarten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2017)

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