Wässern ohne Gießkannenprinzip

Bewässerung eines Feldes
Bewässerung eines Feldes(c) imago/CHROMORANGE (imago stock&people)
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Wie viel Wasser braucht mein Feld? Diese Frage können Landwirte auf der Basis von Satellitendaten klären. Zwei Forscher wurden nun für die neu entwickelte Anwendung EO4Water mit dem Neptun-Wasserpreis geehrt.

Regnet es im Sommer zu wenig, bewaffnet sich der Hobbygärtner mit Gartenschlauch und Gießkanne. Nach dem Büro Gurken und Tomaten zu wässern, kann entspannend wirken. Wasserkosten fallen nicht ins Gewicht. Und sollte das Gemüse wegen Kurzurlaub erschlaffen – egal. Der Supermarkt ums Eck hält Ersatzprodukte in schier endloser Auswahl bereit.

Weit weniger entspannend wirken Trockenperioden auf Landwirte. Das Überleben ihrer Betriebe hängt vom Ertrag und der Qualität ihrer Waren und damit auch von der Wasserversorgung ab. Das bedeutet etwa für viele Gemüseanbauer, dass sie sommers nächtelang nach ihren Beregnungsanlagen schauen müssen. Felder wässern kostet nicht nur Zeit und Grundwasser, sondern auch Diesel oder Strom, um es vom Untergrund per Pumpe nach oben zu holen und auf der Fläche zu verteilen. Bis zu 1000 Euro können pro Hektar anfallen. Wie viel Wasser man geben sollte, ist oft schwer exakt zu ermitteln: Es kommt auf die Größe der Pflanzen, Temperatur, Wind oder Bodenart an.

Laura Essl und Francesco Vuolo vom Boku-Institut für Vermessung, Fernerkundung und Landinformation haben ein System entwickelt, das die optimale Beregnungsmenge errechnet und per Internet oder Handy-App felderweise bereitstellt. „Wie verwenden vor allem Satellitendaten, um die Verdunstung der Pflanzen festzustellen“, erklärt Wasserwirtschafts-Expertin Essl. Genauer gesagt beäugt der Satellit aus einer Höhe von 600 Kilometern Erdäpfel, Karotten, Mais oder Zuckerrüben, um dabei Fotos zu schießen; unter anderem im nahen Infrarot-Bereich. Hier reflektieren grüne Pflanzenteile besonders gut.

Rückstrahlung der Biomasse

„Ein Pixel auf dem Foto entspricht auf dem Feld einer Fläche von zehn mal zehn Metern“, so Essl. Die Privatsphäre der Pflanzen bleibt also gewahrt. Gemessen wird aber für jedes der Quadrate ein Farbwert, der sich aus der Intensität der Rückstrahlung ergibt. „Man kann daraus schließen, wie viel Biomasse auf dem Feld steht.“ Je mehr Biomasse beziehungsweise je größer die Gesamtblattfläche, desto mehr Wasser kann der Pflanzenbewuchs verdunsten. Weil die Verdunstung auch von der aktuellen Witterung abhängt, wird das System zusätzlich mit meteorologischen Daten versorgt.

Berücksichtigt wird auch, dass ein Teil des Gießwassers vom Boden postwendend in die Atmosphäre verdunstet. „Je nach Bedingungen landen lediglich 70 bis 80 Prozent bei der Pflanze“, erläutert Projektleiter Francesco Vuolo.

Der Agrarwissenschaftler aus Neapel kennt Wasserknappheit als dringliches Alltagsproblem aus seiner Heimat. Nicht zu vergleichen etwa mit der Situation im Marchfeld, wo 30 Landwirte an der Weiterentwicklung der Idee beteiligt waren. Sie profitieren von einer effizienteren Wassernutzung durch Energieeinsparung und gesündere Pflanzen. Denn sowohl zu wenig als auch zu viel Wasser setzt Pflanzen unter Stress.

Das EO4Water-System, dessen Entwicklung von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützt wurde, liefert Landwirten tagesaktuelle und flächenspezifische Mengenempfehlungen für die Beregnung. Das kann am einen Feld mehr, am anderen weniger Wasser bedeuten. Ausruhen auf dem am Dienstag verliehenen Neptun-Wasserpreis (Kategorie: „Wasser forscht“) ist nicht geplant. Im Folgeprojekt will das Forscherpaar automatisierte Düngeempfehlungen entwickeln.

LEXIKON

Wasserverbrauch. Pflanzen nehmen über die Wurzeln Wasser und darin gelöste Nährstoffe, zum Beispiel Nitrat, auf. Über die Blätter geben sie Wasser an die Atmosphäre ab. Dabei von „Wasserverbrauch“ zu sprechen ist streng genommen falsch. Einige Experten plädieren stattdessen für den Begriff „Wassergebrauch“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2017)

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