Die Lafnitz ist im Gegensatz zur Pinka weitgehend naturbelassen, ihre Uferwälder sind erhalten und schützen das Wasser und die Arten vor Erwärmung.

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Wien – Man hat wirklich ganze Arbeit geleistet. Der Verlauf ist fast kerzengerade, die Wiesen links und rechts sind akkurat gemäht, und sogar die wenigen Bäume stehen aufgereiht wie wohltrainierte Soldaten auf dem Exerzierplatz. Im Flussbett bremsen weder Steinblöcke noch Totholz den Lauf des Wassers. Alles sauber, alles ordentlich. Doch was Ingenieure und Behörden früher als Idealvorstellungen umgesetzt haben, ist heute der Albtraum der Ökologen. Überall in Mitteleuropa wurden zahlreiche Fließgewässer zu öden Abflussrinnen degradiert – mit verheerenden Folgen für die Artenvielfalt. Und das Problem dürfte sich zukünftig noch verschärfen.

Auch die Pinka im Burgenland ist über weite Strecken hinweg von der Regulierungswut heimgesucht worden. "Die Uferzonen sind in den meisten Bereichen nicht sehr natürlich", sagt die Umweltwissenschafterin Heidelinde Trimmel vorsichtig. Vor allem die Auwälder mussten vielerorts der Landwirtschaft weichen. Ihr Verschwinden indes hat nicht nur vielen Tierarten Lebensraum und Nahrungsgrundlage geraubt; die fehlende Vegetation verändert auch das physikalische Geschehen. Das nur vier bis zehn Meter breite Flüsschen hat Übertemperatur. Tendenz steigend.

Heidelinde Trimmel ist als Forscherin an der Wiener Universität für Bodenkultur (Boku) tätig. Zusammen mit einigen Kollegen untersucht sie das ökologische Geschehen an der Pinka. Ihr besonderes Augenmerk gilt dabei den möglichen Veränderungen infolge des Klimawandels. Bereits jetzt überschreitet die Wassertemperatur der Pinka im Sommer gelegentlich die 25-Grad-Celsius-Marke. Im Nachbargewässer Lafnitz liegen die Werte stets ein paar Grad tiefer. Dort sind die Uferwälder noch weitgehend erhalten, was offenbar die Erwärmung bremst. Schatten spendet eben Kühle – nicht nur im Biergarten.

Temperatur zu hoch

Für die tierischen Flussbewohner spielt die Temperatur eine entscheidende Rolle. Warmes Wasser ist generell sauerstoffärmer als kaltes Nass. Die diversen Spezies haben sich daran angepasst. Die Bachforelle (Salmo trutta fario) ist der Leitfisch der obersten Gewässerregionen. Sie benötigt hohe Sauerstoffkonzentrationen und fühlt sich bei circa 14 Grad am wohlsten. Weiter stromabwärts, wo die Temperaturen auch unter natürlichen Bedingungen schon etwas angestiegen sind, liegt die Heimat der Äsche (Thymalus thymalus), die später wiederum von der Barbe (Barbus barbus) abgelöst wird. Eine solche Zonierung gibt es allerdings nicht für Fische.

Das meiste wirbellose Getier hat ebenfalls temperaturbedingte Habitatpräferenzen. Die Köcherfliege (Drusus monticula) zum Beispiel bewohnt die Quellregion der Pinka, wo das frisch aus dem Boden sprudelnde Wasser nur acht Grad hat. Ihre Verwandten aus derselben Gattung mögen es wärmer und haben ihre Nischen weiter flussab. Die Temperatur ist somit ein bestimmender Faktor für die Biodiversität.

Schlechte Prognose

Der Klimawandel könnte diese Lebensraumverteilung aus dem Lot bringen, und die Gewässer hierzulande scheinen davon besonders bedroht zu sein. Laut Prognosen des nationalen Klimarats APCC (Austrian Panel on Climate Change) könnte die durchschnittliche Lufttemperatur in Österreich bis zum Ende des Jahrhunderts um 3,5 Grad steigen – dies im Vergleich zur Referenzperiode 1961? bis 1990. Das würde sich logischerweise auch unterhalb des Wasserspiegels auswirken. Wenn es zu warm wird, müssten sich ganze Tierpopulationen neue Lebensräume suchen. Ist dies nicht möglich, droht das Aussterben – eine düstere Perspektive.

Das Boku-Team hat sich der Thematik angenommen und den Wärmehaushalt der Pinka genauer analysiert. Der Fokus lag dabei auf dem Sommerhalbjahr. Man fütterte ein Energiebilanz- und ein Hydraulikmodell mit den Werten einer großangelegten Messkampagne.

Anschließend speisten die Forscher die Daten von Vorhersagen für zukünftige Extremereignisse ein. Bis 2100 könnten in Ostösterreich regelmäßig Hitzephasen mit Tagesmaxima von 39 Grad und mehr eintreten.

Das Modell enthält auch detaillierte Informationen über die aktuell vorhandene Vegetation entlang der Pinka. Wie bereits erwähnt, sind vor allem Baumschatten in der Lage, die Wassererhitzung zu bremsen. Dem Modell zufolge ist die direkte Sonneneinstrahlung für ungefähr zwei Drittel der Erwärmung zuständig, den Rest besorgen die langwellige Abstrahlung aus der Umgebung und der Oberflächenaustausch mit der Luft. Die Beschattung hat somit ein beachtliches Kühlungspotenzial.

Schützende Wirkung

Um die schützende Wirkung ausladender Baumkronen genauer unter die Lupe zu nehmen, setzen die Wissenschafter verschiedene Bewuchsszenarien in ihr Modell ein. Erwartungsgemäß zeigten diese Simulationen deutliche Unterschiede auf: V0-Bereiche, das bedeutet komplett kahle Uferbereiche, würden die Wassertemperaturen bei zukünftigen Hitzewellen um mehr als vier Grad ansteigen lassen. Ein geschlossener, durchgängiger Baumbestand (V100) dagegen wäre bereits jetzt in der Lage, die hochsommerliche Erwärmung der Pinka zu senken – im Tagesmaximum sogar um 2,2 Grad. Die detaillierten Untersuchungsergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal Hydrology and Earth System Sciences (Bd. 22, S. 437) veröffentlicht.

Unter den momentanen Rahmenbedingungen dürften der Tierwelt der Pinka und anderen österreichischen Flüssen schwierige Zeiten bevorstehen. In schwer beeinträchtigten Gewässern dürfte das Thermometer irgendwann 28 Grad zeigen. Das wäre für einige Arten ein Todesurteil. Ufernahe Baumpflanzungen jedoch würden die Auswirkungen des Klimawandels deutlich abmildern, wie Heidelinde Trimmel betont.

Zwar könnten sie die zukünftige Wassererwärmung nicht vollständig stoppen, aber immerhin um ein bis zwei Grad senken. Zusätzliche Wirkung ließe sich womöglich durch großflächige Wiederbewaldung erzielen. "Es ist für beinah jedes Klimasystem besser, wenn es mehr Wald hat", schließt Trimmel. (Kurt de Swaaf, 26.2.2018)