Pflanzen können Medikamente produzieren

„Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen“, sagte der Naturkundler Sebastian Kneipp im 19. Jahrhundert. Heute geht die Gentechnik einen Schritt weiter und macht aus Pflanzen Produzenten von Medikamenten bis hin zu Impfstoffen. Sie könnten Tierzellen ersetzen.

Molekularbiologin Eva Stöger von der Universität für Bodenkultur in Wien war unlängst bei einem Vortrag in Kärnten. „Pflanzen sind sehr gut geeignet, um Medikamente herzustellen, zum Beispiel Antikörper, die sehr komplizierte Moleküle sind und bei sehr vielen Behandlungen eingesetzt werden. Sie können in Pflanzen produziert werden, genauso wie Impfstoffe oder Enzyme, die einem Patienten fehlen“, so Stöger im Gespräch mit dem ORF.

Gerste

Eva Stöger

Gerste

Gen animiert Pflanzen zur Produktion

Medikamente in Pflanzen herzustellen ist ein komplexer Vorgang. Auf jeden Fall werden dafür gentechnische Methoden verwendet, so Stöger: „Man bringt ein Gen, das für ein Medikament codiert ist, in die Pflanze ein. Dadurch hat die Pflanze quasi ein Gen mehr und produziert ein Protein mehr, das dann ein Impfstoff sein kann, ein Antikörper oder ein anderes Medikament.“

Diese Art der Herstellung von Medikamenten gibt es noch nicht sehr lange. Mit Pflanzen werde sehr mehr als zehn Jahren gearbeitet, so die Expertin: „Die Medikamentenentwicklung ist immer ein langwieriger Prozess. Deswegen sind noch nicht sehr viele Produkte auf dem Markt.“

Regenerierende Getreidepflanzen in Gewebekultur

Eva Stöger

Regenerierende Getreidepflänzchen in Gewebekultur

Medikamenten aus Tierzellen

Die klassische Methode, um Medikamente zu produzieren, erfolgt in mikrobiellen Systemen, das sind Bakterienzellen oder viel öfter noch in Säugetierzellen, so Stöger: "Traditionell nimmt man Hamster-Ovar-Zellen. Den Hamster dafür gibt es schon lange nicht mehr. Es handelt sich nicht mehr um lebende Tiere, sondern um Zellkulturen, die sich teilen. Die Zellen stammen von einem einzigen Tier Es wurden daher einem Hamsterweibchen Ovarzellen entnommen und seither gibt es eine Zellkultur, mit der man immer wieder arbeiten kann, da die Zellen besonders schnell wachsen.

Stöger: „Die Säugetier-Zellkulturen gibt es schon sehr mehr als 30 Jahren. Es war damals Zufall, dass gerade diese Zellkultur so gut funktioniert hat.“ Das Herstellen von Medikamenten in Tierzellen ist wesentlich aufwendiger als in Pflanzen, erklärt die Molekularbiologin: „Die Zellen in der Kultur müssen sich teilen. Das macht man in großen, sterilen Behältern industrieller Anlagen. Sie brauchen viel Energie und kostspielige Medien, also Flüssigkeiten, wo die Zellen wachsen. Deswegen ist es viel aufwändiger und teurer, denn sie wachsen nicht sehr schnell.“

Generelle Umstellung unwahrscheinlich

Stellt sich die Frage, ob das Herstellen von Medikamenten in Pflanzen die Zukunft ist. Stöger geht nicht von einer generellen Umstellung aus. Für bestimmte Produkte sei die Nutzung von Pflanzen aber durchaus denkbar. Der Einsatz von Gentechnik bei den Nutzpflanzen ist nach wie vor umstritten. Hingegen bei der Herstellung von Medikamenten ist ihr Mitwirken noch nicht so bekannt, doch durchaus erwünscht. Denn manche Medikamente sind mit dieser Methode leichter herzustellen. Dabei handelt es sich um Antikörper, Impfstoffe oder Enzyme, die einem Patienten fehlen.

Ein Beispiel sei die Glucocerebrosidase: „Das ist ein Enzym, das manchen Patienten fehlt. Es ist eine vererbte Krankheit. Um diese zu behandeln, müssen die Patienten regelmäßig - alle zwei Wochen - dieses Enzym als Injektion bekommen. Dann können sie ganz normal leben. Das wird derzeit in Israel in Karottenzellen produziert“, sagte Stöger. Für diese Krankheit wurden davor Hamsterzellen verwendet, um das Enzym herzustellen. „Das ist viel teurer und aufwendiger, es besteht das Risiko, dass solche Säugetierzellen von Pathogenen infiziert werden, die für Menschen gefährlich werden können.“ Mit Pflanzen schließe man das aus.

Umsetzen sterile Pflanzen

Eva Stöger

Umsetzen von sterilen Pflanzen

Pflanzen können auch Impfstoffe herstellen

Auch Impfstoffe kann man sehr gut in Pflanzen produzieren. Dafür gibt es bereits etliche Beispiele, sagte Stöger. In Kanada werde ein Grippeimpfstoff produziert und sei in klinische Studien. Der Vorteil sei, dass es rasch erfolge, denn jedes Jahr müsse schnell für die aktuellen Virenstämme produziert werden. Ein weiteres Beispiel gibt es noch im tiermedizinischen Bereich. Hier werden Schluckimpfstoffe in Pflanzen hergestellt, die gerade in der Tiermedizin sehr attraktiv sind: „Wenn man sich einen Fischteich vorstellt, in dem jedes Tier geimpft werden muss, das geht mit einer Schluckimpfung sehr schnell.“

Tabakblätter werden oft verwendet

Die häufigste Pflanzenteile, die verwendet werden, um Medikamente herzustellen, sind Tabakblätter. Denn sie seien einfach zu handhaben, es gebe aber auch Firmen, die Reiskörner verwenden und darin humanes Serumalbumin als Serumersatz produzieren. Es komme darauf an, wie viel man benötige und wie rasch man produzieren müsse. Davon hänge die Pflanze ab, die man verwende. Reis hat den Vorteil, dass die Samen gut lagerbar sind. Auch mit Gerstenkörner werde gearbeitet, dies werde auch erfolgreich im Kosmetikbereich verwendet, sagte Stöger.

Molekularbiologin Eva Stöger weist jedoch darauf hin, dass die Forschung noch relativ am Anfang steht. Das gängige Modell seien tierische Zellen, Pflanzen seien noch recht neu, aber was man bisher produziert habe, funktioniere sehr gut.